Das barrierefreie PDF: Inhaltselemente im Usability-Test mit Blinden

Accessibility

Wie zugänglich verschiedene Inhaltselemente in barrierefreien PDFs für blinde Menschen sind, sollte im Zuge meiner Modularbeit im Modul „Methoden des Usability Designs“ an der Donau Universität Krems untersucht werden. Dafür wurde ein barrierefreies PDF erstellt, welches in einem Usability-Test von blinden Menschen getestet wurde.

Jürgen, Monika, Sandra und Harald waren so freundlich und erklärten sich bereit, besagtes PDF zu testen und sich dabei beobachten zu lassen. Sandra war sogar so motiviert, dass sie das PDF dreimal auf jeweils unterschiedlichen Geräten getestet hat. In Summe wurde das PDF also 6-mal getestet: 4-mal mit Sprachausgabe und Braillezeile am Computer, einmal am Handy (iPhone) und einmal am Computer ohne Braillezeile.

Die Ergebnisse waren zum Teil erwartbar, oft aber auch sehr überraschend und fielen mitunter sehr unterschiedlich aus:


Initialen

Initialen sind schmückende Anfangsbuchstaben, die in Layouts den Anfang von Kapiteln oder Abschnitten optisch kennzeichnen. Das kann für sehende Leser durchaus Vorteile haben. Daher möchte ich herausfinden, ob diese auch in barrierefreien PDFs problemlos eingesetzt werden können bzw. welche Varianten dabei am besten funktionieren und wo das zu Problemen führen kann.

Die drei Verschiedene Varianteni
Von links nach rechts: V1, V2 und V3

Getestet wurden dabei 3 Varianten (im Bild von links nach rechts):

  • Variante 1: Initiale in derselben Schriftart, die über zwei Zeilen läuft
  • Variante 3: Initiale wurde als Bild platziert und als Artefakt ausgewiesen. Im Alternativtext des Texts wurde der Buchstabe dann ergänzt.
  • Variante 2: Initiale in einer anderen Schriftart, die über zwei Zeilen läuft

Im Test war zwischen V1 und V3 kein Unterschied erkennbar: Beide Varianten wurden von allen Testpersonen erkannt, obwohl die Initiale zum Teil als separater Buchstabe ausgegeben wurde und so den Lesefluss störte. V2 wurde nur in der Hälfte der Tests richtig ausgegeben.


Gendern

Wie die Sonderformen der gendergerechten Sprache vor allem in Screenreadern technisch umgesetzt wurde, wurde hier getestet. Zur Auswahl standen:

  • Nutzer*innen
  • Nutzer:innen
  • Nutzer_innen
  • NutzerInnen
  • Nutzende
  • Nutzer
  • Nutzer und Nutzerinnen
  • Nutzer bis Nutzerinnen

In dieser Aufgabe wurden die Testpersonen gebeten, anzugeben, welche Versionen sie allen Geschlechtern zuschreiben würden und welche sie favorisieren. Welche Version die Testpersonen bevorzugten, war vor allem von der Ausgabe der Screenreader abhängig und fiel daher äußerst unterschiedlich aus. Die Variante „Nutzende“ wurde von allen akzeptiert, wenn auch als „Beamtendeutsch“ bezeichnet. An zweiter Stelle kam die Variante „Nutzer*innen“, da der Genderstern als „Stern“ ausgesprochen im Durchschnitt kürzer war als die anderen Varianten.


Fremdwörter

Viele der Fremdwörter wurden – trotz Dudeneintrag – von den Sprachausgaben falsch ausgesprochen. Nur in einem der sechs Testdurchläufe wurden nahezu alle Wörter richtig ausgesprochen, allerdings wurden die Wörter von allen Testpersonen erkannt.

Im Englischen bedeutet das Wort „tag“ Auszeichnung bzw. Markierung. Das Wort taucht aber vor allem im technischen Bereich oft in der deutschen Sprache auf, ist dann in der Schreibung identisch mit dem deutschen Wort „Tag“. Es handelt sich hier also um ein Homogramm, nicht um ein Homophon. Im PDF wurden drei Varianten getestet, um dem Wort die richtige Aussprache zuzuweisen:

  • Sprachzuweisung im Absatz
  • Sprachzuweisung in einem <span>-Tag 😉
  • Alternativtext „Täg“

Die Sprachzuweisung in 4 von 6 Fällen von der Sprachausgabe ignoriert. In einem Fall wies die Sprachausgabe zwar auf ein englisches Wort hin, sprach es dann aber deutsch aus. In nur einem Fall wurde das Wort wirklich englisch ausgesprochen. Der Alternativtext funktionierte da wesentlich besser und zwar in 4 von 6 Fällen.


Tabellen

Der Umgang mit Tabellen erforderte von den Testpersonen sicherlich die meiste Konzentration. In der zugehörigen Aufgabe sollten sie eine bestimmte Information innerhalb der Tabelle finden. Dazu wurden drei unterschiedliche Tabellen gestaltet:

  • V1: Eine Tabelle, bei der Zellen leer waren und bei der die gesuchte Zelle aus zwei zusammengefasste Zellen bestand.
  • V2: Eine Tabelle, bei der keine Zellen leer waren und auch keine Zellen zusammengefasst wurden.
  • V3: Eine Tabelle die als Artefakt ausgewiesen wurde und dessen Beschreibung sich im Alternativtext befand.

Die erste Variante wurde nur von 2 der 4 Testpersonen mit erheblicher Mühe richtig interpretiert. Sowohl die leeren Zellen als auch die zusammengefasste Zelle bereiteten dabei erhebliche Probleme. Die zweite Variante funktionierte da schon wesentlich besser und wurde in 5 von 6 Fällen richtig interpretiert. Der Alternativtext von Variante 3 wurde in zwei Testdurchläufen nicht ausgegeben und stattdessen die Tabelle normal ausgegeben. 3 von 4 Testpersonen bevorzugten diese Variante.


Detailtypografie

Als Grafiker wollte ich natürlich auch Testen wie typografische Zeichen wie das Achtelgeviert, der Zeilenumbruch und der bedingte Trennstrich interpretiert werden:

  • Das Achtelgeviert wurde in allen Fällen als Leerzeichen ausgegeben
  • Der Bindestrich zur Worttrennung störte den Lesefluss eher als der bedingte Trennstrich, da dieser oft von der Sprachausgabe ausgesprochen wurde. Beim bedingten Trennstrich wurden die getrennten Silben in 3 von 3 Fällen als zwei separate Wörter ausgegeben.
  • Der Zeilenumbruch störte – im Gegensatz zum Absatz – den Lesefluss nicht.


Bild mit Alternativtext

In einem von 6 Fällen wurde der Alternativtext von der Software ignoriert und ein eigener Alternativtext ausgegeben. Durch die Länge des Alternativtexts (165 Zeichen) wurde die Beschreibung in 4 von 6 Fällen unterbrochen. Eine Testperson gab an, dass Alternativtexte aufgrund der begrenzten Zeichenanzahl von Braillezeilen 80 Zeichen nicht überschreiten sollten.


QR-Code

Der QR-Code konnte von keiner der Testpersonen gescannt werden und nur in 3 von 6 Fällen der hinterlegte Link angewählt werden. Eine der Testpersonen war mit QR-Codes vertraut und hatte bisher keine Probleme damit. Ich vermute, dass der QR-Code im PDF eventuell zu klein war um möglichst schnell erfasst zu werden. 


Nochmal herzlichen Dank an Jürgen, Monika, Sandra und Harald für ihre viele Zeit und ihre Bemühungen und auch Andreas für seinen Input!

Vielen Dank auch an Daniele Marano von der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs!

Es war mir eine große Freude und immense Hilfe!

Literaturempfehlungen: